Mit 9-Euro-Ticket und Fahrrad auf Tour – Die Story

Wie schlimm wird es wirklich, wenn man das Fahrrad bei einer Reise mit dem 9-Euro-Ticket in der Bahn mitnehmen will? Wir haben den Praxistest gemacht. Den ausführlichen Bericht findet Ihr in diesem Artikel.

Mit Rad und 9€-Ticket unterwegs – Der Test

Ich pflege ja meine Versprechen grundsätzlich zeitnah zu halten. Also kam auch ich nicht umhin, mir mein 9Euro-Ticket zu ziehen und mal etwas durchs Land zu fahren. Natürlich wäre das alles ohne Fahrrad deutlich einfacher gewesen, doch frei nach dem Motto: No Risk, No Fun, ging es mit dem Bike ein paar Stunden auf Tour um mal in einer Stadt in Mitteldeutschland ein neues Video für „kettentreter unterwegs“ aufzunehmen. Da musste das Rad ja quasi dabeisein. 

Gleich vorweg. Ich bin meinen eigenen Tipps und denen der Bahn gefolgt und habe mein Crossbike als Gepäck verstaut. Im 9-Euro-Ticket sind Fahrräder nicht inklusive und ein Fahrradticket kostet 6 Euro pro Tag extra. Das ist jetzt nicht viel, doch kann beim derzeitigem Reiseaufkommen eine Fahrradmitnahme auch nicht garantiert werden. Ergo könnte es durchaus passieren, dass man an einem Umsteigebahnhof wegen Überfüllung des Zuges gar nicht mitgenommen wird und das Bahnpersonal einem freundlich bittet, auf den nächsten Zug zu warten. Entsprechend habe ich mein Bike zerlegt und in meinen B&W Bikesack gesteckt. Na toll. Tragen. Glücklicherweise ging es bis zum Bahnhof mit dem Auto aber schon auf dem Bahnsteig merkte ich schnell, dass die Umstiege schon eine kleine Herausforderung werden. Der Bikesack ist 120x80x30 cm groß. Also schon ein ordentliches Volumen. Etwas schwerer wird er zusätzlich, durch die weiteren Sachen, die man dort hineinstopft. Am Umsteigebahnhof herrscht Gedränge und Zeitdruck. Ich war schon vor Fahrtantritt nicht unbedingt begeistert. Aber was solls. Das Motto von oben in Erinnerung gerufen und los.

Im ersten Zug zeigte sich schon das erste Problem. Mit der großen Box muss man da sitzen, wo Platz ist. Es war früh morgens und schon war der Zug gut besucht. Daraus resultierend musste ich quer zur Fahrtrichtung sitzen und der Koffer versperrte drei weitere Plätze. Es ging aber wenigstens pünktlich los, was sich später als äußerst nützlich herausstellen sollte. 

Erster Umstieg.

Natürlich klappt das bei der Bahn nicht, dass man Züge so einfahren lässt, dass der beliebteste Anschlusszug der Strecke am Bahnsteig gegenüber steht und man quasi nur den Bahnsteig quer zu überqueren braucht. Ich glaube ja, das ist so eine Vermutung oder gar eine Verschwörungstheorie, dass irgendwo in der Dispatcherzentrale jemand sitzt, der die Einläufe der Züge absichtlich so plant und sich dann via Überwachungskamera daran ergötzt wie jung und alt, Mann und Maus, Frau mit Kindern und Omas mit Gepäck sich über die Bahnsteige hetzen. Nur so eine Theorie.

Also in 6 Minuten den Bahnsteig entlang rennen, Treppe runter, quer durch den Bahnhof, Treppe wieder hinauf und wieder einen Bahnsteig entlang um gleichzeitig mit schnellem Blick durch die Fenster einen Platz zu finden. Grundsätzlich wäre das alles kein Problem, wenn nur nicht der Bikesack wäre, der die ganze Geschichte nun zur schweißtreibenden Angelegenheit macht. 

Auch im zweiten Zug natürlich wieder viele Leute. Mehr noch als zuvor, da der Tag inzwischen vorangeschritten war und der Umsteigebahnhof entsprechend größer ist. Etwas Glück war schon im Spiel, dass ich diesmal eine Stelle im Zug fand, wo der Koffer an einer Wand stehen konnte, ohne andere Passagiere zu behindern. Auch diesmal fuhr ich quer zur Fahrtrichtung. Das geht ganz schön ins Genick, wenn man aus dem Fenster sehen will. Aber wenigstens hatte ich einen Sitzplatz. Eine Gruppe 18jähriger hatte es sich leicht unterhalb von mir auf der Treppe gemütlich gemacht. Beim Ausstieg bat ich die Jungs, doch bitte für die anderen Umsteiger von der Treppe wenigstens aufzustehen, damit man den Zug verlassen könnte. Einer, aus der Generation Zukunft kommentierte meine Bitte mit den Worten „Hier will aber keiner Aufstehen.“ ohne sich zu mir umzudrehen und er blickte nicht einmal auf. Gut, war erwarte ich großartig von dieser Generation auch an Anstand? Hätte ich mir ja auch denken können. Was er nicht wusste war, dass ich bereits über ihm auf der Treppe stand und wie groß und sperrig und hart mein Bikesack eigentlich war. Eine kurze Warnung meinerseits, dass er sich nicht wundern müsse, wenn er einen Koffer in den Rücken bekommt wurde auch wieder gekonnt ignoriert. Ich wollte aus dem Zug und ging also die Treppe hinunter. Bikesack geschultert und Zack! Er hatte ihn im Rücken und jetzt wurde er auch wach und merkte selbst, dass es eine blöde Idee war, auf der Treppe sitzen zu bleiben. Ich bin kein gehässiger Mensch, aber den blauen Fleck hat er sich wirklich verdient. Finde ich jedenfalls. 😉 Irgendwie mag ich es ja auch, wenn Menschen dazulernen. Auch wenn es manchmal mit Schmerzen verbunden ist. Das prägt aber vielleicht für’s Leben.

Glücklicherweise hatte meine Streckenwahl nur zwei Umstiege, doch jetzt wurde es kritisch. Raus aus dem Zug war eben schon kaum möglich, da manche Menschen so krankhaft egoistisch sind, dass sie weder Platz machen oder erstmal in einen Zug oder Bus einsteigen ohne vorher andere mal aussteigen zu lassen. Das nervt und sorgte bei mir im Abteil für unschöne Wortwechsel der sich nicht kennenden Passagiere. Nach mir die Sintflut ist wahrscheinlich das Motto vieler Mitmenschen. Von mir aus können diese dann in selbiger Ertrinken. Ist mir auch egal. 

Zweiter Umstieg.

Endlich raus aus dem Zug, der seine Abfahrtszeit von hier längst schon überzogen hatte, wurde schnell klar, dass ich wieder einige Hundert Meter und Treppen rennen muss für meinen Anschluss. Geübt den Bikesack geschultert und los. Inzwischen merkte ich, dass ich die Achsen aus den Laufrädern hätte entfernen sollen. Irgendwas malträtierte permanent meinen Oberschenkel. Auch war es nicht so clever, die Pedalen dran zu lassen. Diese drückten bei jedem Schritt in die Hüfte. Eine Freude auf einigen hundert Metern Weg. 

Langsam gut durchgeschwitzt und mit leichter Luftnot und Schmerzen auf der Seite auf dem nächsten Bahnsteig angekommen und …. kein Zug! Wie schon weg oder was? Aber dann kam die Auflösung und gleichzeitig kam mir wieder der Gedanke an diesen gewissen Fetisch von dem Menschen in der Dispatcherzentrale, denn diesmal stand in der Anzeige, dass sich der Zug um 15 Minuten verspäten wird. Ha Ha Ha. Umsonst gelaufen. Das hätte entspannt auch funktioniert. Ätsch! 

Also warten. Einen Becher Kaffee aus der Thermoskanne und wieder die Erkenntnis, dass Minuten langsamer laufen, wenn man es nicht gebrauchen kann.  Hat man schöne Momente, bei einem Date oder gutem Gespräch oder was auch immer, dann rast die Zeit nur so dahin. Wartest Du auf einen f***ing Zug, werden 15 Minuten zur Ewigkeit. 

Letztere wurde gleich noch länger, als die Anzeige nebst krächzender Durchsage die Wartezeit auf 25 Minuten verlängerte und ein paar Minuten später auf ganze 45 Minuten. Herzlichen Glückwunsch. Als Grund wurden Abfahrtprobleme durch hohes Verkehrsaufkommen genannt. Ja, das 9 Euro Ticket gibt es seit zwei Wochen und seit März ist bekannt, dass es überhaupt kommt. Statt sich der Dispatcher an den verschwitzten und abgehetzten Menschen auf den Bahnsteigen ergötzt, hätte man ja auch mal an der Wagenreihung spielen können und vielleicht ein paar Waggons zusätzlich einplanen können. Noch so eine Verschwörungstheorie von mir: Der Bahn geht es wie der Bundeswehr. Sie haben gar keine Waggons, die funktionieren. 

Die Krönung des Umstiegs wurde durch ein gleichzeitiges Stöhnen aller, auf dem Bahnsteig befindlichen Reisenden, eingeläutet. Die Anzeigetafel zeigte plötzlich den nächsten Zug an. Die Durchsage erklärte dazu nichts. Inzwischen waren sich die Reisenden wohl alle einig, dass hier alle etwas später am Wunschziel ankommen würden und einige rechneten schon mit den nächsten Anschlusszügen. Das blieb mir erspart, da ich am nächsten größeren Bahnhof sowieso angekommen war, wo ich hinwollte. Also wäre oder bin, wenn ich denn von hier auch noch wegkäme, quasi. 

Wie auch immer. Weiter warten und plötzlich und unverhofft fuhr ein völlig überfüllter Zug auf den Bahnsteig ein. Also daneben, logischerweise aber für den avisierten war er zu früh. Es handelte sich tatsächlich um den ausgefallenen Zug. Ausgefallen und fährt doch? Nun gut. Aussteigen und Einsteigen konnten die Reisenden auch hier nicht. Schulklassen auf Klassenfahrt, Rucksacktouristen, vier andere Radreisende und Olli mit dem großen BikeSack. Alle wollten da hinein und jeder bekam es mit der Angst, es nicht zu schaffen. Gedränge, geschubse und Fußabdrücke auf der Oberseite meiner neuen Schuhe waren das Ergebnis. Diesmal ergatterte ich einen Platz mitten in der Freifläche der Quersitzenden Passagiere, die nicht aussteigen wollten oder mussten. Na Glückwunsch zum Zweiten. Ein Stehplatz für die nächste Stunde. Ach was, wird schon gehen. Das klappt schon. 

Was hingegen nicht klappte, waren die Türen. Diese gingen nicht zu und ein sichtlich genervter Zugführer rief auch beim fünften Male durch die Sprechanlage auf, die Einstiege frei zu machen, da er sonst nicht losfahren könnte. Die Lichtschranken in den Türen verhindern das. Glücklicherweise, muss man sagen, wenn man die Eisenbahnromantik aus Indien schon einmal auf Bildern oder Videos gesehen hat. Egoismus Einzelner und der akute Platzmangel sorgten wieder für viel Verzögerung bei der Abfahrt. Irgendwann hatte es der stämmige Sachse an Tür vier aber auch begriffen, dass es sein Rucksack war, der den Sensor und damit die komplette Abfahrt blockierte. Ja, es gibt auch Menschen die langsam lernen. Aber sie lernen und das ist ja bisweilen schon hoch anzurechnen. 

Weiter ging es und die Luft wurde zunehmend stickiger, die Sonne stieg höher und somit hatten alle etwas Spaß in eigenem Saft. Selbst Schuld. Wenigstens atmet man in den Zügen ja noch immer etwas flacher, der Maskenpflicht sei Dank. Dicht gedrängt, in Kurven leicht schwankend ging es so in Richtung Zielbahnhof. Der Bikesack war inzwischen hochkant gestellt, damit ich für einen Mitreisenden noch eine Stellfläche für zwei Schuhe in der Größe 45 schaffen konnte. Man, ich muss schon sagen, selbst in Extremsituationen bin ich super sozial. 😉 

Angekommen

Angekommen. Endlich. Nach fast 6 Stunden Fahrt. Dafür aber für 9 Euro und die Rückfahrt ist ja auch inklusive und wenn ich morgen nochmal wollte….. . Neee, eigentlich graute mir schon vor der Rückfahrt, denn schon der Ausstieg war wieder ein Problem. Obwohl ich nur eine Armlänge Abstand zur Tür hatte, dauerte es einige Minuten bis ich den Zug verlassen konnte. Wieder mit dem geschultertem Bikesack über den Bahnsteig und endlich raus aus dem Gebäude. 

Theoretisch wäre die Story hier beendet. Es war heiß, laut, stickig und überfüllt. Fazit: Mit Fahrrad im Bikesack nicht unmöglich aber fürchterlich unbequem. Doch einen habe ich noch. 

Die Idee war, am Zielbahnhof das Crossbike wieder zusammenzustecken und den Bikesack im Gepäckfach für zwei Tage zu deponieren. Das sollte eigentlich klappen und man muss sich dann vor Ort nicht mit dem Geraffel herumärgern. So leicht ist der Sack ja nun auch nicht. Also baute ich vor dem Bahnhof mein Bike wieder zusammen und faltete meinen Bikesack wieder sorgfältig. Soweit die Theorie. Die Praxis sah leider anders aus, denn genau zur Hauptreisewelle meint die Bahn, die Gepäckfächer am Zielbahnhof abzubauen und durch neue zu ersetzten. Diese standen zwar schon, doch eine ganze Rolle, fröhlich flatterndes Absperrband verkündete schon von weitem: „Hier heute keine Gepäckaufbewahrung.“ Ätsch. Und wieder denke ich über den Dispatcher vor der Kamera nach, der sich an den enttäuschten Gesichtern der Reisenden erfreut. Eine Nachfrage im Servicecenter ergab nicht nur, dass es keine weiteren Gepäckfächer auf dem Bahnhof gäbe sondern auch, dass die neue Schließanlage wohl aus technischen Gründen noch nicht an den Strom angeschlossen werden könne. Der Zustand sei aber schon seit Wochen so. 

Fazit

Nehmt das Rad nur zerlegt mit, wenn es denn sein muss und zieht alte Schuhe an.  Nehmt gerne auch ein Buch mit. Wartezeit gibt es genug. Es hat funktioniert, aber eher so Mittel und für einige am zweiten Umsteigebahnhof auch nicht. Ich hoffe, sie hatten im nächsten Zug mehr Erfolg. 

Ich möchte es nicht nochmal machen. Nächste Städtetour geht wieder mit Auto und Fahrrad am Gepäckträger oder innen drin. Wie auch immer. Und liebe Bahn. Ich weiß, ihr seid schon im Normalmodus am Limit und die Aktion mit dem Billig-Ticket fordert sehr viel. Aber einfach mal ein paar Waggons mehr…. 

In diesem Sinne… 

Verreiste Grüße 

//O.F. 

Die Rückfahrt wäre dann eine andere Story. Wollt Ihr sie lesen. Sie wäre mindestens genauso interessant. Wenn ja, dann schreibt mir auf Instagram/kettentreter, wenn Ihr das wollt. 

 

 

Und hier noch das Video aus unserem YouTube-Kanal. Kurze vier Minuten mit Musik. Viel Spaß dabei. 

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