Radverkehrsplan beschlossen – Werden wir Fahrradland?

Holt den Schampus raus! Deutschland wird „Fahrradland“! Man könnte jetzt voller Euphorie die Korken knallen lassen. Das Kabinett verabschiedete den nationalen Radverkehrsplan mit Rekordinvestitionen in die Radwegeinfrastruktur. Was aber wirklich kommt… in diesem Artikel.

Bundeskabinett macht den Nationalen Radverkehrsplan fest

Man könnte ja glatt frohlocken und jauchzen. Endlich passiert in Berlin mal etwas, was Radfahrer schon lange wollen. Hatten wir hier nicht vor ein paar Tagen erst geschrieben, dass es Zeit wird, dass Stadtplaner und Politik endlich mal umdenken müssen und es doch eigentlich nur einen Anstoß benötigt? Vielleicht ist es das ja jetzt.  Ein Gesetz für mehr Radverkehr wurde gestern verabschiedet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nennt es ganz groß den Nationalen Radverkehrsplan und behauptet zur Verstärkung auch noch „Wir machen Deutschland zum Fahrradland“. Mehr Radverkehr, sicherer Radverkehr, neue Wege und ein paar Änderungen in der STVO stehen auf dem Plan. Dazu wurde ein Fördermitteltopf geöffnet, der gut 1,43 Mrd. Euro für Strukturanpassungsmaßnahmen bereithält. Für uns, als Vertreter der Fahrradlobby und so sehen wir uns hier in diesem Magazin tatsächlich, ist das natürlich längst überfällig.

Leider sind die Pläne von Herrn Scheuer in den letzten Jahren nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen. Denkt man dabei an das Mautdebakel wird schnell klar, dass bei aller Freude über ein durchdachtes Konzept in diesem Bereich, schnell wieder die Seifenblase platzen könnte. Jede Menge Empfehlungen und Vorschläge stehen zusätzlich in dem verabschiedeten Papier. Minister Scheuer wird sich definitiv auch hier an der Umsetzung messen lassen müssen. Für die nächsten 10 Jahre sind die Ziele auch sehr hoch gesteckt. Radfahren soll so attraktiv werden, dass sich die Länge der zurückgelegten Strecken mit dem Rad um gut 30% erhöhen soll. Kommunen sollen den Radverkehr bei zukünftigen Planungen „mitdenken“ und wenn möglich auch Radverkehr von KFZ-Verkehr trennen. Dazu soll schrittweise Verkehrsraum, der aktuell für Kraftfahrzeuge bereitsteht, umgewandelt werden. Ganz oben auf der Liste steht die Verknüpfung des ÖPNV mit dem Rad und hier speziell natürlich die Deutsche Bahn, deren Hauptanteilseigner der Bund ist. Hier soll die Mitnahme von Rädern in Zügen ermöglicht und erweitert werden (geht doch schon in fast jedem) und Bahnhöfe sollen dafür Barrierefrei ausgebaut werden. Da wird man den Verdacht nicht los, dass viel Geld aus dem Bundestopf wieder genau dahin zurückfließt und die Bahn noch mehr hässliche Fahrradboxen oder Radspeicher an den Bahnhöfen errichtet. Bekanntlich wird auch eine gewisse Menge an Mitteln aus solchen Töpfen gar nicht angefordert, da oft die bürokratischen Hürden viel zu hoch sind.

Ein großer Kostenfresser an diesem Fördertopf liegt im Punkt Verwaltung wie ein großes Fahrradschloss. Kommunen sollen Verwaltungsstrukturen und Personalstellen als Ansprechpartner für Radverkehrsförderung schaffen und Führungskräfte im öffentlichen Dienst und auch externe Beratungsunternehmen regelmäßig mit Fortbildungsmaßnahmen versorgen. Bund und Länder sollen gemeinsam ein „Corporate Design“ für Bodenmarkierungen und für die Beschilderung im Radnetz Deutschland entwickeln. Irre ich mich gerade, oder haben wir nicht genug Schilder, die bundeseinheitlich gültig sind?  Wir vermuten mal, dass hier mit solchen Planstellen gleich mal jede Menge Geld verbraten wird. Für unseren Geschmack wäre es sinnvoller, solche Planstellen dort zu schaffen, wo auch Leute sitzen, die ein Problem beheben können. In Straßenmeistereien beispielsweise oder im kommunalen Straßenamt. Da wo die Männer und Frauen mit den orangen Arbeitsklamotten arbeiten und die auch mal mit einer Schaufel und einem Eimer Asphaltsplit umgehen können. Nur so eine Idee. 

Ebenfalls in diesem Plan enthalten ist die Unterstützung für Lastenräder und Logistik. Kommunen sollen den Einsatz von Lastenrädern fördern, gleichzeitig wird aber auch wieder über die Radwegebenutzungspflicht für Lastenräder nachgedacht. Verbannt sie von der Straße. Na toll. Da wird einem eine Hand gereicht und die andere klatscht einem förmlich auf die Backe. Einheitliche Normen für Lastenräder im europäischen Maßstab sollen zum Beispiel Wechselcontainer möglich machen. Da werden sich die Hersteller von Lastenrädern aber freuen, wenn sie noch Normverordnungen für Transportboxen, Halterungen oder Größen vorgeschrieben bekommen. Löblich ist hierbei, dass Kommunen ausschreibungspflichtige Transportfahrten bevorzugt oder jedenfalls vermehrt an Lastenräder/ als Radfahrten vergeben sollen. Ach, wenn nur immer Sommer wär. 

Ziel des Plans ist ein lückenloses Radwegenetz. Das klingt vielversprechend, doch fast schon utopisch. Wenn wir dabei hier an den Ostseeküstenradweg (nur den Teil in der Stadt) denken, haben wir große Zweifel, dass das jemals möglich wird. Wir machen mal ein Video für unseren YT-Kanal und zeigen Euch dort, was wir meinen. So viele Unterbrechungen und gefährliche Stellen… es ist längst nicht alles Gold was glänzt. Es sollen bis zum Ende der 2020er weitere Radschnellwege entstehen. Dies dürfte wahrscheinlich eher in den Großstädten wie Hamburg, Berlin oder Stuttgart passieren. 

Mit dem nunmehr dritten Radverkehrsplan für Deutschland wird aber wenigstens weiter in die richtige Richtung gegangen. Es wird auch diesmal langsam gehen und viele Hindernisse und Beschwerlichkeiten werden Projekte aufschieben, verhindern oder so abändern, dass entsprechenden Leuten mit Befindlichkeiten genüge getan wird. Und wie wir schon seit über einem Jahr wissen, scheint es in Deutschland derzeitig auch ziemlich leicht zu sein, per Verordnung und sogar per Gesetz Unternehmen, Theater, Kinos, Spielplätze, Kitas und Schulen  zu schließen und neuerdings auch Ausgangssperren zu verhängen, die jeden von uns in Kürze treffen. An einer Straße den Parkstreifen zum Radweg zu machen, geht irgendwie nicht so leicht. Das verstehe, wer will.

Kürzlich wurde der Bußgeldkatalog der STVO erneuert. Wenigstens werden jetzt höhere Bußgelder für zugeparkte Rad- und Gehwege fällig. Fehlt nur noch genügend Personal, die das ahnden können, womit wir wieder bei den Verwaltungsstrukturen wären. 

Es bleibt noch viel zu tun. Bis dahin düsen wir weiter mit dem Mountainbike durch den Wald und ärgern uns über schlechte Radwege in der Stadt. 

#justmytwocents

Geplante Grüße

//O.F.

 

Foto: Privat

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