Ja, es ist wirklich toll, wenn die Kommune bei der Verkehrsraumgestaltung auch an Radfahrer denkt und bei der Überarbeitung der Verkehrsinfrastruktur auch Radwege plant. Doch manchmal denkt man sich ernsthaft: „Wer hat das geplant?“ und gleich danach „Wer hat den Plan gelesen?“ und „Wer zum Geier hat das genehmigt?“ Das Teilstück Carl-Heydemann-Ring in Stralsund aus der Sicht von Radfahrern.
Neue Radspur bringt Gefahr für Radfahrer in Stralsund
Als Radfahrer weiß man nicht so ganz genau, was man von der Neugestaltung des Teilstücks am Carl-Heydemann-Ring zwischen Damaschkeweg und Alte-Richtenberger-Straße halten soll. Monatelange Bauarbeiten forderten nicht nur von Verkehrsteilnehmern, sondern auch Anwohnern viel Geduld. Seit einigen Wochen ist der Bereich nun vollständig erneuert und wiederhergestellt. Doch was dabei herausgekommen ist, ist für Radfahrer alles andere als Optimal. Schlichtweg gefährlich teilweise und nicht alle Radler sind über diese Neugestaltung erfreut.
Schauen wir uns das Stück mal aus beiden Richtungen an.
Auffällig sind die beiden schmalen Spuren an den Straßenrändern. Sie gelten als Fahrradspur und sollen jeweils richtungsgebunden von Radfahrern benutzt werden. Die Straße wurde schmaler gestaltet. Die Radspur stadteinwärts ist dabei etwas breiter als die Spur stadtauswärts.
Leider liegt genau da das 1. Problem. Autofahrer können teilweise die Radstreifen leicht mitbefahren, was sie aus Angst vor abgefahrenen Spiegeln und dem Gebotenen Sicherheitsabstand zum Gegenverkehr auch tun. Bei zwei entgegenkommenden Liefertransportern ist es schon gegeben, dass mindestens einer weit in die Radspur ausweicht. Das grundsätzliche Problem hier besteht darin, dass die Fahrzeuge die Fahrradfahrer nicht mit dem vorgeschriebenen Mindest-Seitenabstand von 1,5 Metern überholen können. Beim Überholvorgang eines Radfahrers muss der Autofahrer dagegen weit in die Gegenspur ausweichen. Es wird eng und in der Praxis zeigt sich, dass die Autos trotz Gegenverkehr auch Radler überholen. Gefährlich! Mit Kindern auf diesem Streifen fahren ist gleich unmöglich und nicht anzuraten! Die sollten auf dem Fußweg fahren.
Das 2. Problem teilt sich auf beide Enden, dieser Straßenerneuerung.
a) aus Richtung Stadt / Alte-Richtenberger-Str. kommend
Wenn man auf dem Fahrradstreifen unterwegs ist, kommt man am Ende des Carl-Heydemann-Rings an eine Fußgängerüberführung. Diese verschmälert, die ohnehin schon schmale Straße zusätzlich und die Radspur löst sich auf. Selbst ein Kleinwagen muss hier in diese Richtung die Radspur nutzen. Also vorher überholen oder hinterm Radler bleiben. Um nun – bspw. zum Lidl. zu gelangen, müsste man ersteinmal eine kleine Schleife auf dem Gehweg fahren, um auf die andere Straßenseite zu gelangen. Um in Richtung Feldstraße weiterzufahren, sollte man die Straße spätestens jetzt auch verlassen und die Straßenseite wechseln. Die Radspur wird auf der überbreiten Feldstraße nicht weitergeführt. Also ein Schlenker von der Radspur am Überweg auf den Fußweg, 360°-Wende und dann rüber. Nicht ganz so durchdacht und schon gar nicht praxiserprobt.
b) aus Richtung Feldstraße / Lidl kommend
Hier zeigt sich die Gefahr gleich richtig und das zweimal! Neben dem, bereits erwähnten, fehlenden Seitenabstabstand der überholenden PKWs gibt es gleich zwei Engpässe, die hier gefährlich für Radler werden können. Aus Richtung Lidl / Feldstraße wird man direkt vor dem Fußgängerübergang ziemlich sauber auf die Radspur geführt, doch der Übergang bringt eine kritische Gefahrensituation. Fahrzeuge drücken einen Radfahrer im engeren Bereich hinter dem Übergang direkt an den Randstein. Schließlich wollen sie die Fußgängerüberführung auch ohne Kratzer an den geliebten Alufelgen umrunden und schnell wieder aufs Gas treten. Wieder nichts für ungeübte, ängstliche, ältere Verkehrsteilnehmer.
Hat man es bis hier geschafft, sind es nur noch wenige Meter bis zur Kreuzung. Eigentlich immer ein Punkt, der Sicherheit verspricht, da ja nicht alle gleichzeitig fahren dürfen. Aber hier gibt es das allergrößte Problem in der Planung.
Die Straße verbreitert sich im Kreuzungsbereich. Aus Richtung Feldstraße gibt es zwei Standspuren. Dabei löst sich in einer seitlich geführten Straßenverbreiterung der Radstreifen in Wohlgefallen auf. Irgendwie heißt es hier bremsen oder Augen zu und durch. Denn hier lauert, wie auch am anderen Ende der Straße die akute Gefahr, dass man als Radfahrer von dem Fahrzeug, welches einem gerade überholt hat, direkt an den Rand gedrückt wird. Autofahrer haben permanent Angst um das „Heilige Blechle“ und um die Spiegel erst recht. Ein zügig durchgeführter Überholvorgang mit etwas scharfer Richtungskorrektur nach der Überholung kann den Radfahrer ins schlingern bringen und stark irritieren und den nachfolgenden Verkehr erheblich stören. Nach wenigen Minuten der Live-Beobachtung wurden wir in dieser Annahme bestätigt. Radfahrer sind an dieser Stelle das schwächste Glied und je größer das Auto, desto geringer die Hemmschwelle, auch mal die Hupe benutzen zu wollen. Die Radspur hätte an der Einmündung Knöchelsöhren direkt neben dem Fußweg weitergeführt werden müssen. So versuchen in der Praxis viele Autofahrer noch vor dem Kreuzungsbereich, etwaige Radfahrer zu überholen. Das alleine, ist wie bereits erwähnt, schon riskant genug. Schaffen sie es nicht, wird man dann noch frech angehupt. Das nervt nicht nur, sondern sorgt nicht gerade für gegenseitige Toleranz auf beiden Seiten.
Positiv:
- Einführung auf die Radspur aus Richtung Feldstraße
- Die Spur ist für Fahrzeuge aus und in die Seitenstraße Knöchelsöhren sehr gut gekennzeichnet.
Das war es aber auch!
Fazit: Sieht ja toll aus, praktisch aber gefährlich und für ungeübte und etwas ängstliche Radfahrer, wir sprechen hier mal bewußt von älteren Bürgern, Frauen und Kindern im vorpubertärem Alter, kaum nutzbar!
Aber ….
Warum wurde der Radweg nicht, wie beispielsweise auf der sanierten Karl-Marx-Straße, an den Fußweg integriert. Er hätte ja nun nicht gleich 2m breit sein müssen? Platz wäre ausreichend, wenigstens auf der Seite Alte-Richtenberger-Str. in Richtung Damaschkeweg. Warum ist zwischen Fußweg und Baumreihe bzw. Baumreihe und Fahrbahnkante noch soviel Platz, der jetzt Rasen wird, obwohl da gut ein Fahrradweg hingepasst hätte?
Werden solche Zeichnungen einfach abgesegnet und nicht mal am Modell oder wenigstens am Computer durchgespielt? Offensichtlich nicht, denn spätestens da wäre es wohl aufgefallen. (Allerdings auch nur, wenn der Mensch vor dem Rechner oder vor dem Modell auch selbst Rad fährt.) Aber selbst auf eine Zeichnung kann man ein paar halbwegs maßstabsgetreue Spielzeugautos und Hütchen als Menschen stellen um zu sehen, ob es geht oder nicht.
Oder war vielleicht der Sparzwang am Asphalt und an ein paar hundert Steinen wieder Schuld? Kommunales Infrastrukturbudget ist bekanntlich nie sehr hoch, doch wenn man es falsch einsetzt, bringt das nicht wirklich was. Es darf demnächst wohl doch mit einigen gefährlichen Situationen gerechnet werden, denn dazu wird diese Art der Verkehrsführung für Radfahrer zwangsläufig führen. Verletzte oder gar getötete Radfahrer nicht ausgeschlossen.
??? Und was machen eigentlich die Verkehrsteilnehmer, die hinter dem Rad noch einen zweisitzigen Kinderanhänger hinterherführen? Also ich persönlich würde mit Hänger und meinen Kindern darin die Spur ganz bewußt nicht benutzen und auf den Fußweg ausweichen. Dieser ist im übrigen beidseitig richtig schön überdimensioniert.
Da die Straßenführung im Carl-Heydemann-Ring so bis zur Kreuzung Tribseer Damm weitergehen soll, wird es weitere gefährliche Stellen geben. Eine Bitte an dieser Stelle an die Verantwortlichen in den entsprechenden Behörden: Schauen Sie sich die Pläne mal vorher bitte genau an. Vielleicht kann man die geplante Führung testweise mal auf die Straße zeichnen für ein paar Meter um zu testen, ob das so überhaupt geht. Vielleicht hilft es auch, wenn man ein paar beruflich oder freizeittechnisch vielradelnde Menschen fragt. Deren Meinung kann hier durchaus helfen, mehr für die Sicherheit beizutragen. Wenn es sein muss, könnte man ja einen Radfahrer-Beirat für solche Bauplanungen und Ausführungen gründen. Solche Beiräte werden ja auch sonst wegen jeder Kleinigkeit eingerichtet. Warum also nicht auch, wenn es mal vom Sicherheitsaspekt notwendig wäre?
Nochmal. Es ist ja nicht schlecht, dass die Stadt erkannt hat, dass die Verkehrsstruktur auch an die steigende Zahl der Radfahrer, Radtouristen und Berufspendler auf dem Rad angepasst werden muss. Es soll an dieser Stelle eigentlich auch gewürdigt werden. An vielen anderen Stellen ist ja zu sehen, dass es geht. Ich stelle einem Mitarbeiter des Straßenbauamtes gerne mal mein CheckerPig mit 68er-Lenkerbreite zur Verfügung. Gerne auch verschiedene Modelle. Ich hätte da genug Auswahl. Mal sehen, wie die in der Praxis da so herumwackeln. Idealerweise zur Rush-Hour mit viel fließendem Verkehr von hinten. Viel Spaß.
In diesem Sinne: Augen auf
//O.F.
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