Es passiert plötzlich und unerwartet. Ein Sturz oder gar ein Unfall, der Anfangs gar nicht so schwer erscheint. Nur weggerutscht und wieder eingefangen oder von einem Auto nur leicht touchiert. Doch die Folgen für die eigene Gesundheit können gravierend sein. (M)eine neue Unfallanalyse eines Sturzes mit dem Fahrrad findet Ihr in diesem Artikel.
Gut gepackt ist halb genesen
Es war nur eine Unebenheit auf dem Radweg in Flensburg, den ich selbst nach einer Kurve nicht erkennen konnte und schon ging alles sehr schnell und doch so langsam, dass man die Sekunden förmlich in kleine Ewigkeiten zerhacken konnte.
Die Kurve war fast durchfahren, der Radweg der anderen Straße schon erreicht, doch Fliehkräfte zogen das Vorderrad wieder von diesem herunter auf einen etwas schmaleren Streifen Fußwegplatten daneben auf der Straßenseite. Ok. Intuitiv die Korrektur und der Versuch, wieder den Radweg zu erreichen. Blöd nur, dass dieser ca. 1,5 cm höher lag als der Fußweg und der Randstein aus diesem Winkel mit den dünnen 32er Schwalbe Lugano2 des City-Flitzers nicht mehr erklimmbar war. Angeschlagen, weggeschlagen, zweiter Versuch und wieder abgerutscht und das Rad bekam das Schlingern. Der Oberkörper war schon wieder auf dem Radweg, nur das Vorderrad eben noch nicht. Danach kippte alles so schön langsam und dennoch innerhalb einer Sekunde. Das Rad schlug auf dem Boden auf und der Lenker änderte nochmals seine Richtung. Der Oberkörper, also mein Oberkörper, war weiter in einer Geradeausbewegung und traf mit dem Brustbein den Lenkervorbau. Ein Uff und ein Schei…benkleister entwich mir. Hätte ich nur die Tasche für den Stem-Mount des SKS-Systems mitgenommen, wäre es etwas weicher geworden. Nach einer Seitwärtsrolle von der linken Schulter auf den Rücken mit 180Grad-Drehung auf dem Rad- und Fußweg und einem Überschlag des Rades, kam letzteres dann auch gleich noch auf mir zu liegen.
Gefühlt zuletzt landete der Kopf auf den Steinen und in diesem Moment fiel mir noch ein, dass ich ja Gott-sei-Dank mit Helm fuhr. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob ich Gott oder lieber mir selbst dafür danken soll.
Salto Mortadella oder … Glückwunsch! Mal wieder kräftig gemault.
Nach gefühlten 4-10 Sekunden der erste Versuch aufzustehen. Uff. Schön, wenn der Schmerz nachlässt oder man genau definieren kann, von wo er kommt.
Der erste Blick des Körpers geht intuitiv immer nach Innen. Ok, es scheint nichts gebrochen, die Beine lassen sich bewegen und auch die Arme gingen frei. Nur ein starker Schmerz in der Brust. Gut, der vergeht. Seitwärts wegrollen, vom Fahrrad befreien und einmal in den Himmel schauen.
Oh, vier Frauen um mich herum. Bin ich im Himmel? Nein, offenbar nicht. Ich habe wohl doch nur schon so lange gelegen, dass sich die Passantinnen und Autofahrrerinnen direkt neben mir befanden. Sie halfen mir aufzustehen, sammelten mein Zeug zusammen und erkundigten sich sorgenvoll nach meinem Befinden. Halbwegs auf den Beinen mal schnell ein äußerer Check. Kein Blut, keine Knochen aus irgendwelchen Körperteilen heraushängend, auch die Klamotten noch in Ordnung. Ein kurzer Blick auf die Technik und auch hier keine nennenswerten Ausfälle bis auf ein paar Kratzer auf der DJI Pocket, die jetzt wohl doch nicht mehr verkauft wird, da der Wertverlust zu groß ist. Die Atmung hatte sich instinktiv auch auf Flachatmung umgestellt. Tiefe Atemzüge waren nicht machbar. Scheint aber sonst alles gut zu sein. Etwas gekrümmt wegen dem Schmerz in der Brust und der permanenten Verneinung der Notwendigkeit eines Notarzteinsatzes gingen die Damen wieder ihres Weges. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle.
Nächste Bestandsaufnahme der Schmerzen: Zur Brust kamen nun auch beide Handgelenke, das Knie und der Knöchel hinzu. Ok, das war heftig.
Ich stellte das Rad an einen Zaun, setzte mich auf eine kleine Treppe in der Nähe vor einem Einfamilienhaus und nestelte eine Getränkeflasche aus dem Rucksack. Ok, 5 Minuten Pause und dann geht es weiter. Check am Helm – ohne Kratzer oder Beschädigungen. Alles noch mal gut gegangen?
Die Pause ging in die Verlängerung und danach schlug auch der Versuch, wieder auf das Fahrrad zu kommen, fehl. Ok, schieben wir noch ein Stückchen. Atmen viel inzwischen leichter und mittelmäßige Lungenzüge waren auch wieder möglich. Nach 200 Metern Fußweg ein neuer Versuch auf dem Rad. Es ging. Ok, nicht wirklich gut aber es war rollbar.
Am Abend traten die Schmerzen vermehrt wieder auf und inzwischen meldete sich auch das rechte Handgelenk stärker als noch am Nachmittag. Zwei IBU 400 regeln und der Schlaf im Hotel war, bis auf die Seitenwechsel auch ganz passabel.
Am nächsten Morgen schmerzte nicht nur das Brustbein, sondern auch beide Handgelenke und der linke Knöchel. Na Dankeschön. Heute wohl den Rest der Tour an der Förde wohl ohne Fahrrad und mehr mit Auto und zu Fuß.
Mit Schmerzsalbe war alles dann etwas erträglicher und die Bewegungsfähigkeit steigerte sich um wenige Prozent. Gleichzeitig stand dann auch die Feststellung im Raum, dass das mit einem höheren Fitnesslevel nicht ganz so schwierig geworden wäre.
Wieder ein neuer Morgen und die Schmerzen in den Handgelenken waren fast weg. Dafür gab es jetzt noch die Schulter dazu. Schmerzen von hier wurden wohl durch das Handgelenk und das Brustbein überstrahlt. Der Knöchel meldete sich noch latent schwach aber zeigte an, dass auch er nicht ganz fit war.
Vielleicht wäre die Konsultation einer Fachkraft, also einer wirklichen Fachkraft 😉 , wohl doch keine schlechte Idee. Gesagt getan und die Diagnose war genau das, was ich längst wusste.
Brustbeinprellung, Brustmuskelzerrung, Schulterprellung, Knöchelprellung links und Handgelenkprellung rechts. Ruhe, Druckverbände und nur leichte Bewegung waren die Empfehlungen.
Nunmehr, nach über einer Woche, scheint alles soweit recht gut überstanden.
Es stellen sich nun aber trotzdem einige Fragen.
– Wäre der Heilungsprozess schneller gegangen, wenn man früher einen Arzt konsultiert hätte?
– War der Fahrradhelm nützlich?
– Wer baut eigentlich Kanten in Radwege in Kreuzungsbereichen?
– Ist man wirklich noch hart genug für „geht schon wieder“?
Ersteres ist wohl eindeutig mit JA zu beantworten. Auch wenn es nicht schlimm erscheint, sollte man auch nach einem mehr als leichten Sturz einen RTW bemühen oder noch am selben Tag bei Schmerzen zu einem Fach- / Unfallarzt gehen.
Natürlich. Auch wenn ich über den Oberkörper gefallen bin und mich noch seitlich abrollte, schlug ich trotzdem mit dem Kopf auf. Zuletzt und aus sehr geringer Höhe, doch wer würde denn freiwillig seinen Kopf mit drei Zentimeter Entfernung gegen eine Mauer schlagen? Wohl niemand, oder?
Tja, da frage ich mal bei der zuständigen Verkehrsbehörde in Flensburg nach. Vielleicht können die da auch gar nicht viel dazu, da der äußere Streifen vielleicht mit den Jahren einfach nur abgesackt ist und die Kante zufällig entstand. Aber man kann es ja wenigstens melden, damit eine Reparatur
Egal wie hart Du auch bist. Das Leben (und Chuck Norris) sind härter. Und in der Regel sind es auch die Steine auf dem Gehweg, A-Säulen und Frontschutzscheiben von PKW’s, Geländer und alles, gegen man als Mensch so laufen oder stoßen kann.
Kann man das alles vermeiden?
Und ja, auch das kann man. Vorausschauende Fahrweise, ein vernünftiges Fitnesslevel, welches sich nicht nur auf die Ausdauer bezieht sondern auch den Muskelaufbau im Körper stärkt, einen ordentlichen Helm und vor allem noch höhere Aufmerksamkeit im Verkehr und auf den Wegen.
Auch wenn die Erschaffung neuer Radwege vielerorts immer wieder hoch gefeiert wird, sind ein Großteil der Bestandswege doch recht marode geworden und bergen viele Gefahrstellen.
Inzwischen geht es bei mir wieder auf dem Rad weiter, doch noch immer vorsichtig und von MTB-Trails reden wir hier lieber erst im nächsten Monat. Graveltouren müssen noch langsam angegangen werden, da das Brustbein noch immer nicht zu 100% stabil läuft. Aber es ist Licht am Ende des Tunnels und es ist diesmal kein D-Zug.
Genesene Grüße
//O.F.